Schlagwörter
cycelsuperstier, Fahrradhighways, München, Radkultur, Radpolitik, Spiegel Online, Zeit
Ein neues Schlagwort macht gerade die Runde – der „Fahrradhighway„.
Unter anderem Zeit und Spiegel berichten vom Kopenhagener Vorstoß, sogenannte „Cykelsuperstier“ anzulegen. Das sind durchgehende Fahrradkorridore für bestimmte längere Strecken, ein Versuch, die Reichweite des Fahrrades als urbanen Transport zu vergrößern. Angelegt als breite Radwege, oft abseits von Strassen, eindeutig mit Farbcodes gekennzeichnet und mit Gimmicks wie Aufpumpstationen etc. versehen. Es soll möglich sein, Strecken >10km sicher, flott und bequem per Fahrrad zu erledigen.
Man hat direkt das Bild vor Augen, wie deutsche Verkehrsplaner, Kommunalpolitiker, Radlbürgermeister und so weiter in ihren Büros sitzen und denken: „Aaaach, sowas hätte ich für meine Stadt ja auch gerne…. „
Der Witz ist: Solche Strecken gibt es bereits in vielen deutschen Städten (ohne die Aufpumpstationen). In Hamburg kenne ich die Wege entlang der Alster, in Frankfurt an der Nidda, und in München (sorry, hier kenne ich mich am besten aus) gibt es die Isarauen, den englischen Garten, den Olympiapark, die Nymphenburger Schloßmauer, die alte Trambahntrasse vom Luitpoldpark zum Hart, die alte Isartalbahn-Strecke nach Solln… Die kenntnisreicheren Radler nutzen diese schönen und bequemen und autofreien Trassen schon ewig genau in der Art, wie die Dänen ihren Fahrradhighway. München läßt sich heute schon in einer Stunde per Rad durchqueren, fast ohne in Kontakt mit dem motorisierten Verkehr zu kommen.
Die Wege sind also schon da. Aber zum „Highway“ à la Kopenhagen fehlt es weit. Meilenweit.
Wo es bei uns nämlich im Gegensatz zu Dänemark hapert, ist, wie diese Wege (und ihre Benutzer) behandelt werden.
Das fängt bei der Beschilderung an. Manche findet man erst gar nicht. Um den Einstieg in die Isartalbahn-Trasse zu finden, hat man am besten einen Sioux unter den Vorfahren, oder einen Waldläufer. Wer von Schwabing nach Oberföhring will und den Weg nicht kennt, packt besser den Kompass ein.
Auf anderen Strecken ist die Beschilderung mal da, mal nicht. Es hat zum Beispiel mehrere Jahre gedauert, bis eine Radtrasse vom Petuelring zur Allianz-Arena durchgängig beschildert wurde, auch Radständer an der Arena materialisierten sich erst lange nach der Einweihung, und sie sind am A… der Welt. Pardon my french, anders kann man das echt nicht ausdrücken. Wahrscheinlich war die Stadt zu sehr damit beschäftigt, mit der Stadion AG zu streiten, wer für die defizitären Parkhäuser zahlen muß.
Auf praktisch allen diesen Trassen ist man als Radler der auf Bewährung geduldete Gast im Reich der Spaziergänger. Das Damoklesschwert des Ausgesperrt-Werdens ist weitaus näher als irgendeine Art von Akzeptanz.
Dazu kommt, dass Dinge wie Winterräumung und Ankündigung von Bauarbeiten/Sperren völlig fakultativ zu sein scheinen. Da wird ein ganzes Wochenende das Olympiagelände abgeriegelt für überflüssige PR-Events (DTM, Parallelslalom). Auch bei den Renaturierungsarbeiten im Hochwasserbett der Isar stand der Radler gerne vor dem Bauzaun mit dem Schild „Radfahrer ab hier bitte weiterfliegen“. Das alles, und das ist das Ärgerliche, ohne Vorankündigung, ohne Umleitungsvorschlag, ohne einen Ton.

So sieht der Olympiapark zum Aufbau für dem DTM-„Event“ aus. Vollsperre und unfreundlicher Wachmann inklusive.
Sind ja nur Radfahrer.
Würde man das mit anderen Verkehrsmitteln auch so machen? Donnersberger Brücke bis zur Mitte befahrbar, und dann ein Bauzaun quer mit „Durchfahrt verboten“-Schild?
Dir Möglichkeiten zum „copenhagenize“ wären da, ich bin sicher, nicht nur im München.
Warum klappt es dort, und in deutschen Städten nicht? Haben sie mehr Geld? Mehr Platz?
Ich glaube, daran liegt es nicht.
Kopenhagen hat vor allem eins: den Willen, den Radverkehr ernst zu nehmen.
Die Beispiele oben zeigen, dass es in München, in Deutschland, vor allem daran hapert.
@all
Rückzieher was die abgesetzten Radstreifen betrifft. Sorry :(, da war ich einige Jahre zurück.
Bei den Planern wird der „Schutzstreifen“ momentan als beste Radverkehrsanlage genannt. Der Schutzstreifen ist Bestandteil der Fahrbahn und darf vom Radfahrer, z. B. für einen Überholvorgang, verlassen werden (gestrichelte Linie). So hat die Stadt Aachen, als Universitätsstadt mit einem überdurchschnittlichen Radverkehrsanteil, in den letzten fünf Jahren ihr Radwegsystem auf Schutzstreifen umgestellt. Pro: relativ geringe Kosten, keine Separierung des Radverkehrs, schnelle Umsetzung möglich. Die Erfahrungen sind positiv.
Schutzstreifen sind nur innerorts erlaubt.
Hier ein Statement gefunden beim ADFC
„Die Erfahrungen in einigen Städten, die den Schutzstreifen schon ausprobiert haben, stimmen optimistisch: Autos fahren langsamer und halten ausreichend Abstand, die Unfallzahlen sinken und die Radler sind komfortabler unterwegs und bleiben auch nicht mehr im Autostau stecken.“
Wie entspannt könnte alles sein, wenn sich jeder als Teil der Welt begreifen würde und nicht getrennt davon. :)
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Im Gegensatz zu Kopenhagen ergeben diese gute Teilstrecken in München aber leider keine durchgängige und längere Strecke (>5-10km) z.B. ins Zentrum. Gerade das wäre aber für viele Pendler hilfreich und das ist es auch was diese Strecke in Kopenhagen so besonders macht.
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Ich würde die Strecken entlang der Isar und im englischen Garten durchaus als „ins Zentrum“ führend betrachten. Vom Haus der Kunst sind es ~300m zum Marienplatz, vom Deutschen Museum 200m zum Isartor.
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Auch ich halte nichts davon, diverse Münchner Hundewiesen-Randzonen als Highway zu bezeichnen. Insbesondere die in
http://www.zukunft-mobilitaet.net/thema/cykelsuperstier/
genannten Kriterien wären durchzugehen, bevor man alles durcheinanderwirft wie eine Grünen-Politikerin ihren Tofustreifensalat.
Zum Thema Streifen- und Kopenhagen-Hypes dürfen diese zwei Illustrationen nicht fehlen:


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@Autor: meine volle Zustimmung.
@Klaus: Radfahrer brauchen keine Separierung ganz im Gegenteil!) sondern – wie oben beschrieben – die Anerkennung, dass sie ein vollwertiger Bestandteil des Verkehrs sind.
Ob du auf einem Radweg oder einem Radstreifen rechts vom Rechtsabbiegerverkehr geführt wirst, ist dem dich im Ernstfall zermatschenden LKW völlig gleich.
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Ich stimme Dir zu, aber durch einen, wenn möglich noch farblich abgesetzten Radstreifen, der auf der Fahrbahn geführt wird, erhöht sich die Sicherheit für Radfahrer. Das wird Dir auch jeder Verkehrsplaner sagen und entsprechende Statistiken vorlegen können. Die Anerkennung kann erst stattfinden, wenn der Radfahrer überhaupt wahrgenommen wird. Und das lässt sich mit einem Radstreifen, je nach Situation, ganz gut umsetzen. Eine Zurücknahme von Fahrspuren und auch ein reduziertes Angebot von Parkraum in der Innenstadt führt zwangsläufig auch zu einem Rückgang des MIV, wie es ja im VEP (Verkehrsentwicklungsplan) angestrebt wird. Man muss irgendwann auch unpopulär erscheinende Maßnahmen ergreifen.
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Untersuchungen zeigen, dass die Gefährdungssituation für Radfahrer auf dem Radstreifen ungefähr der auf „normalen“ Strassen entspricht. Sie sind also besser als Radwege, aber nicht sicherer als einfache Fahrbahnbenutzung.
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> durch einen, wenn möglich noch farblich abgesetzten Radstreifen,
> der auf der Fahrbahn geführt wird, erhöht sich die Sicherheit für
> Radfahrer. Das wird Dir auch jeder Verkehrsplaner sagen und
> entsprechende Statistiken vorlegen können.
Entsprechende Statistiken würden mich brennend interessieren. Ich bezweifel aber stark, dass dem so ist. Im Übrigen kann ich angesichts des Unsinns, den Verkehrsplaner in Bezug auf Fahrräder anrichten, sie auch nicht ernst nehmen. Das ist die letzte Gruppe, der ich trauen würde, wenn es um SIcherheit der Radfahrer geht.
Tatsächlich deutet meine eigene Erfahrung mit solchen Streifen daraufhin, dass es gefährlicher ist, als auf der unmarkierten Fahrbahn zu fahren. Diese Streifen führen weiterhin geradeausfahrende Radfahrer rechts neben rechtsabbiegenden KFZ, somit ergibt sich eine unnötige Querung und die Gefahr, im Toten Winkel zu fahren. Es erscheint auch so, dass Radfahrer auf diesen Streifen ebenfalls (nicht ganz so stark wie bei Hochbordradwegen) nicht so ins Bewußtsein dringen als wenn sie „normal“ auf der Fahrbahn fahren würden.
Außerdem sind die meisten Straßen zu schmal, als dass man einen auf einem solchen Streifen fahrenden Radfahrer mit ausreichendem Sicherheitsabstand überholen könnte, ohne die Spur wechseln zu müssen. Da aber nun jeder seine „eigene“ Spur hat, wird regelmäßig auch mit minimalstem Abstand überholt. Eine durchaus gefährliche Situation, die es ohne diese Streifen nicht geben würde. Ohne solche Streifen könnte der Radfahrer an kritischen Stellen auch weiter mittig fahren und dort das Überholen verhindern. Mit Streifen regelwidrig und wütende Reaktionen hervorrufend.
Fahrräder gehören vor und hinter andere Fahrzeuge, nicht daneben!
Alles andere ist gefährlich und lediglich „gefühlte Sicherheit“.
Weiterhin suggerieren diese Streifen, dass man als Kraftfahrer nur dort mit Radfahrern zu rechnen habe; sie erhöhen also insgesamt überall woanders die Gefahr für Radfahrer. Zur Akzeptanz und Normalität von Fahrrädern im Gesamtverkehr tragen sie dadurch keinesfalls bei.
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Schön, dass der aufgemalte Sonderweg auf der Lindwurmstraße wieder wegkommt, jetzt fahre ich wieder verkehrsgerecht, nämlich nach Fahrtrichtung und Geschwindigkeit geordnet, und behindere die variable Auslastung der Straße und das Rechtsabbiegen nicht unnötig.
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Hallo Martin,
danke für diesen Beitrag. Ich möchte hier mal Walt Whitman zitieren, dessen Gedanke auch heute noch zutreffend ist, nicht nur den Radverkehr betreffend:
«Die schlimmste und verbreiteste Krankheit, die uns alle, unsere Literatur, unsere Erziehung, unser Verhalten zueinander durchseucht, ist die ungesunde Sorge um den Schein.»
Tagebuch, 1876
In München feiert man sich gerne, mit der «Radlnacht» und diversen anderen Events. Man gibt viel Geld aus und spielt die ganze Klaviatur des modernen Kommunizierens. Wenn auch, in der Tat, einiges umgesetzt wurde, fehlt doch letztendlich Mut und Konsequenz um wirklich einschneidende Maßnahmen zu realisieren. «Wasch mich, aber mach mich nicht nass»; ich bin mir sicher der Radstreifen auf der Lindwurmstrasse wird wieder zurückgenommen (leider). Da nützt auch die Green City Aktion auf facebook nix.
http://www.facebook.com/RadwegLindwurmstrasse
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