Für die, die ihn nicht kennen: Chris Boardman war einer der erfolgreichsten britischen Radrennfahrer. Er errang olympische Goldmedaillen auf der Bahn, trug das gelbe Jersey bei der Tour de France und lieferte sich mit Graeme Obree ein packendes Duell um den Stundenweltrekord, den er dann insgesamt dreimal errang. Heute ist er unter anderem als Berater für Radverkehrsentwicklung und -Promotion unterwegs. Für seine sportlichen Erfolge wurde ihm der Titel „MBE“ (Member of the Most Excellent Order of the British Empire) verliehen.
Chris Boardman: „Helme gehören nicht zu den zehn wichtigsten Dingen, die Radfahren sicher machen.“
Chris Boardman, britischer Berater für Fahrradpolitik, erklärte, es sei Zeit, die Diskussion über eine Helmpflicht zu beenden und die Botschaft zu verbreiten, der Helm sei eine der unwichtigsten Sicherheitsmaßnahmen beim Radfahren.
Allein das Gerede über eine Helmpflicht hielte Leute in erheblichem Maße vom Radfahren ab, sagte Boardman, und verglich die Helmträger unter den Fahrradfahrern mit Leuten, die sich panzern, weil sie sich daran gewöhnt haben, daß auf sie geschossen wird.
Im Gespräch mit road.cc sagte Boardman: „Ich denke, mit der Helmdiskussion lassen wir uns in die Irre führen. Helme gehören nicht zu den zehn wichtigsten Dingen, die Radfahren sicher machen, oder allgemeiner gesagt die meisten Leben retten.“
Du wirst beschossen, trage eine Rüstung
Boardman wiederholte eine Analogie, das er früher schon gebracht hatte, und von der er selbst sagt, sie sei etwas übertrieben, obwohl sie den Punkt träfe.
„Es ist ungefähr so, als wenn jemand sagt, daß Leute aus dem Hinterhalt auf dich schießen und du daher eine Rüstung anziehen solltest,“ meinte er.
Wenn die Regierung das Tragen von Helmen fördere, sei das daher „ein Feldzug der Leute, die eigentlich die Schießerei beenden sollten, dafür, daß Menschen Rüstungen tragen.“.
„Wenn man jemanden sieht, der eine Rüstung trägt, obwohl nirgends geschossen wird, denkt man, man gehe um Himmels willen doch nicht raus, wenn sie dort draußen auf der Straße Rüstungen tragen. Es schreckt die Leute ab.“.
Für die Sicherheit beim Radfahren gibt es bessere Lösungen, erklärte Boardman. In den Niederlanden trügen gerade 0,8 Prozent der Fahrradfahrer Helme, doch hätten die Niederländer dank einer abgetrennten Fahrrad-Infrastruktur die geringste Rate von Kopfverletzungen bei Fahrradfahrern. Dreißig Prozent aller Wege in den Niederlanden würden mit dem Fahrrad erledigt, so Boardman, und fünfzig Prozent der Kinder führen mit dem Fahrrad zur Schule. „Die Niederländer haben die beste Methode, Kopfverletzungen zu verhindern,“ erklärte er. „Wo es die höchte Helmtrage-Quote, gibt es auch die meisten Kopfverletzungen: Bei uns und in den USA.“
Dennoch gibt es unter den passionierten und sportlichen Fahrradfahrern eine beinahe fanatische und kniefällige Begeisterung für Fahradhelme.
Boardman sagte dazu: „Leute, die eine Rüstung tragen, gewöhnen sich daran, daß auf sie geschossen wird, obwohl das eigentliche Problem darin besteht, daß auf sie geschossen wird.“.
Ein Ablenkungsmanöver
Die Helmdiskussion sei zu einem zeitraubenden Nebenschauplatz geworden, meinte Boardman. „Wir müssen die Helmdiskussion frontal angehen, weil sie so nervtötend ist,“ sagte er. „Sie verlangt unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit. Wenn man drei Minuten Zeit zur Verfügung hat, und jemand fragt, ob man einen Helm trage, weiß man bereits, daß der Großteil der Zeit dafür verschwendet wird, statt über wesentliche Themen zu sprechen.“.
Boardman sagte, die Fokussierung auf Helme lasse das Fahrradfahren gefährlicher erscheinen, als es in Wirklichkeit sei.
„Wir haben uns weit von den Tatsachen entfernt,“ meinte er weiter. „Wir verbreiten Anekdoten. Das ist wie mit Haiangriffen – es werden mehr Menschen beim Bauen von Sandburgen getötet als durch Haiangriffe. Es ist geradezu aberwitzig, daß die Tatsachen nicht mit den Geschichten zusammen passen, weil die Aufmerksamkeit der Presse auf Nachrichten liegt. Die Vorstellung, Fahrradfahren sei gefährlich, wird zur Regel, aber es ist nicht die Regel.“
„Auf tausend Erdumrundungen mit dem Fahrrad gibt es einen Fahrradtoten. Das ist sicherer als Gartenarbeit.“
Das Bild vom Fahrradfahrer
Wie viele Fahrradaktivisten möchte Boardman das Fahrradfahren als eine normale und alltägliche Tätigkeit gesehen wissen.
„Ich habe neulich zwei Leute in meinem Ort auf dem Fahrrad gesehen. Einer fuhr den Berg zum Bahnhof runter, er trug eine Warnweste und einen Helm. Ein paar Minuten später fuhr ein anderer Typ den Berg runter, er radelte in lockerer Kleidung zum Bahnhof. Welcher von beiden macht mir Lust auf’s Fahrradfahren?“
Autor: John Stevenson
Datum: 17. Feb. 2014
Quelle: road.cc
URL: http://road.cc/content/news/111258-chris-boardman-helmets-not-even-top-10-things-keep-cycling-safe
deutsche Übersetzung mit Erlaubnis des Autors: EvaK (danke!)
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