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Wie berichtet, fand gestern abend die öffentliche Podiumsdiskussion über den Radverkehr in München mit den OB-Kandidaten von CSU, FDP, Grüne, ÖDP, Linke und SPD statt. Für mich erstaunlich, waren alle Kandidaten in höchsteigener Person angetreten. Auch das Publikumsinteresse war enorm, nicht jeder bekam einen Platz mit Sicht.

vlnr: Reiter SPD, Ruff ÖDP, Schmid CSU, Nallinger B90/Grüne, Wolf Linke, Dr. Mattar FDP

vlnr: Reiter SPD, Ruff ÖDP, Schmid CSU, Erich Löw Radio LORA (Moderator), Nallinger B90/Grüne, Wolf Linke, Dr. Mattar FDP

Jeder der Kandidaten wurde vorgestellt und durfte ein paar Sätze zu seinen Ideen für den Radverkehr in München loswerden, dann gab es Fragerunden zu Themen wie „Verteilung des Verkehrsraums“, zur Finanzierung und zu konkreteren Dingen wie generellem Tempo 30 oder Einführung einer City-Maut. Anschliessend wurden Fragen aus dem Publikum aufgenommen und reihum beantwortet. Dabei ging es mehr um konkrete Einzelthemen wie den neu gestalteten Luise-Kiesselbach-Platz und um das aktuell heiße Thema der Rosenheimer Strasse, auch der Humor kam nicht zu kurz, als ein Wortmelder seine Idee präsentierte, Radfahrer generell links fahren zu lassen ;)

Detaillierte Berichterstattung über die einzelnen Positionen der Kandidaten überlasse ich anderen, hier nur ein Überblick und meine sehr persönlichen und subjektiven Eindrücke von den Kandidaten.

Wolf/Linke: Frau Wolf machte nicht den Eindruck, als läge bei ihr ein besonderer Focus auf den Fahrradthemen. Von den Linken kommen eher allgmeine Aussagen über Verkehrspolitik, man ist dafür, den nicht-MIV zu stärken, macht aber keinen großen Unterschied zwischen ÖPNV, Fußgängern und Radfahrern. Mit einer Umverteilung des Verkehrsraums zugunsten dieser Verkehrsarten hat sie kein Problem. Die Linken fordern City-Maut und generelles Tempo 30.

Dr. Mattar/FDP: Herr Doktor Mattar lehnt eine Umverteilung des Verkehrsraums zugunsten der nicht-Autofahrer ab, ebenso wie ein generelles Tempo 30 oder eine City-Maut (diese sei eine „Kampfansage ans Umland“). Wenn man dem Autoverkehr Spuren für den Radverkehr abknipse, hätte das „wirtschaftliche Folgen“ und Staus zur Folge. Die Sicherheit der Radfahrer ist ihm offensichtlich nicht so wichtig. Seine zum Teil sehr spannenden Ansichten zum Thema Verkehrsfluß in Folge von Tempo 30 auf Verkehrsadern wie der Nymphenburger Strasse oder Anrecht der Autofahrer auf freie Fahrt, weil sie ja Steuer zahlten, lösten zum Teil verärgerte Zwischenrufe aus. Er kritisierte, dass von 5 Mio Budget für den Radverkehr 1 Mio für die Imagekampagne „Radlhauptstadt München“ verwendet werde, was dann im Weiteren Verlauf immer wieder zu Wahlkampf-Geplänkel zwischen den Kandidaten führte.
Insgesamt präsentierte sich Herr Mattar, meinem Eindruck nach, reichlich arrogant. Von ihm und, in schwächerem Maße, von Frau Wolf kamen als einzigen Seitenhiebe auf die angeblich schlechte Verkehrsmoral der Radfahrer.

Ruff/ÖDP: Herrn Ruff war anzumerken, dass ihm der Radverkehr wichtig ist. Eine Umverteilung des Verkehrsraums bejaht er, ebenso wie Tempo 30. Er fordert eine Aufstockung des Budgets für den Radverkehr. Als einziger Kandidat forderte er eine „Vision“ für die Zukunft des Radverkehrs („wo wollen wir hin?). Herr Ruff macht einen sachlichen, wenn auch vielleicht etwas farblosen Eindruck. Wie er Josef Schmids unrichtigen Seitenhieb auf die angebliche Position des Bundes Naturschutz zur Städteentwicklung parierte, war allerdings Klasse.

Schmid/CSU: Herr Schmid lehnt eine Umverteilung des Verkehrsraums ab, stattdessen will er „mehr Verkehrsraum schaffen“. Bevor ihr euch jetzt denkt, die CSU-Zentrale an der Nymphenburger abreißen und dafür einen Radl-Highway einrichten wäre schon mal ein guter Anfang, gemeint ist: Autoverkehr in Tunnels verlagern (da besteht Einigkeit mit der FDP). Die CSU setzt mehr auf ÖPNV als auf Radverkehr. Ein generelles Tempo 30 in München wird abgelehnt, ebenso wie die City-Maut. Man hatte nicht den Eindruck als hätte der Radverkehr bei der CSU irgendeinen Stellenwert. Etwas unangenehm fiel mir auf, dass Herr Schmid das Podium von allen Kandidaten am meisten für Seitenhiebe auf die politischen Kontrahenten nutzte.

Nallinger/B90-Grüne: Frau Nallinger hat den inoffiziellen Titel „Radbürgermeisterin“ von Hep Monatzeder übernommen, naturgemäß ist ihr deutlich anzumerken, dass ihr der Radverkehr sehr wichtig ist (Sie war auch als einzige der Kandidaten mit dem Radl da). Sie plant ein Stadt-eigenes Radl-Leihsystem, Bikestationen und will den Radverkehrs-Etat von 5 auf 25 Mio aufstocken. Frau Nallinger wies darauf hin, dass die Entscheidung für den Radstreifen an der Rosenheimer Strasse im Planungsausschuß, bei der eigentlich schon Konsens geherrscht hatte, nach Bedenken seitens der CSU und der SPD eine weitere Runde drehen muß. Frau Nallinger ist anzumerken, dass sie als langjährige Mitarbeiterin in diversen Ausschüssen die Lösung des Einzelfalls im Focus hat.

Reiter/SPD: Bei Herrn Reiter hatte ich einen eher zwiespältigen Eindruck. In den Sach-Aussagen lag er auf Linie mit der Politik Christian Udes: Er wies auf Wachstumspotentiale durch mehr Radverkehr hin, eine Umverteilung des Verkehrsraums befürwortet er ebenso wie einen Ausbau des ÖPNV. Anstelle von „Radverkehrspauschale“ rutschte ihm einmal der Begriff „Radwegpauschale“ über die Lippen. Aussagen über Aufstockung der Finanzierung kamen von ihm nur sehr allgemein. Auffällig war, dass seine Sicht auf den Radverkehr mehr reaktiv als proaktiv ist: „jetzt haben wir einen Anstieg beim Radverkehr um 70% in den letzten 10 Jahren, jetzt müssen wir auch was dafür tun“ – eine Vision sieht anders aus.

Insgesamt ein interessanter Abend, der einen Einblick auch in die Persönlichkeiten der Kandidaten gewährte. Danke an den ADFC für die Organisation, sowas dürfte ruhig öfter stattfinden. Ebenso danke an die zumeist akkurat gescheitelten JU-Mitglieder, die anschliessend Freibier und Energydrinks austeilten :)