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Los Angeles/Radwege: In diesem amüsanten und informativem Artikel liest „Cycling Savvy Instructor“ Karen Karabell den Amis die Leviten über Radwege, genauer: Warum sie keine gute Idee sind. In den Kommentaren tobt seither Krieg, denn gerade im Amiland hat der (leider) einflußreiche Radlobbyist Michael „Radfahrer müssen vor dem Verkehr versteckt werden“ Coleville-Anderson von copenhagenize.com ein zahlreiches und lautstarkes Gefolge.
OLG Celle kassiert Urteil, das Radfahrer ohne Helm Teilschuld an Unfallfolgen gibt: Das OLG Celle hat ein Urteil revidiert, das einer Radfahrerin 20% Schmerzensgeld wegen falscher Mütze abzog. Kommentar des Pressesprechers:
„Nur weil jemand in seiner Freizeit das Radfahren als Sport betreibt, kann das also noch nicht zu seinen Lasten gehen. Eine bei der Schadensberechnung zu berücksichtigende Obliegenheit zum Helmtragen kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein sportlich ambitionierter Fahrer sich auch im normalen Straßenverkehr bewusst erhöhten, über die allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs hinausgehenden Gefahren aussetzt.“
hört, hört!
Nochmal Helm: Der Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit befasst sich ebenfalls mit den rechtlichen Impikationen für Leute, die die Frechheit besitzen, sich im Alltag ohne Schutzausrüstung zu bewegen: Rechtstipp – muß man zur Eigensicherung einen Helm tragen?
Wenn das OLG Schleswig nun durch die Hintertür eine Quasi-Helmpflicht einführt, dann könnte das durchaus Folgen haben, die man konsequenterweise – aber eben auch bizarrerweise – auf andere Bereiche ausdehnen müsste bzw. könnte:
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Der Autofahrer müsste auch einen Helm tragen, da es nachweislich auch viele und schwere Kopfverletzungen bei Autounfällen gibt.
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Der Fahrradfahrer müsste eine Warnweste tragen, damit er nicht übersehen wird.
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Der Spaziergänger müsste einen Helm und eine Warnweste tragen.
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Der Besucher einer Veranstaltung müsste einen Helm und Knieschützer anziehen, wenn er auf einer Veranstaltung ausrutscht.
…hä hä hä :)
http://www.anwalt.de/rechtstipps/muss-man-zur-eigensicherung-einen-helm-tragen_055492.html
Helm zum Dritten: Chris Boardman, MBE, Stundelweltrekordler und Olympiasieger, setzt sich seit seinem Karriereende aktiv für den Radverkehr ein. In diesem schönen Artikel befasst er sich mit Radhelmen und kommt zu dem Schluß:
„Helme sind nicht mal unter den Top Ten von Dingen, die das Radfahren sicherer machen“
lesenswert! – und nachdenkenswert.
http://road.cc/content/news/111258-chris-boardman-helmets-not-even-top-10-things-keep-cycling-safe
hier in voller Länge und in Deutsch: Boardman über Radhelme
Helm zum Vierten: Die Polizei Baden-Württemberg hat ihren Verkehrsbericht 2013 herausgebracht. Voller Helmreklame, ein Zusammenhang zum Vortsoß von Styrobrain Verkehrsminister Winnie Herrmann besteht selbstverständlich in keinster Weise. Nach Ansicht des Innenministers namens Gall zeigt die Tatsache, dass 30% der getöteten Radfahrer mit Helm unterwegs waren schlagend die Funktion des Helms als Lebensretter. Ich fresse auf der Stelle meinen Hut, wenn Ba-Wü mehr als 15% Helmtragequote aufweist… daher habe ich der Pressestelle meine Hilfe angeboten:
Sehr geehrte Damen und Herren!
In Ihrer „Unfallbilanz 2013“ zitieren Sie Herrn Innenminister Gall wie folgt:
„Erschreckend finde ich, dass 70 Prozent der getöteten Fahrradfahrer keinen Helm trugen„
In Anbetracht der Tatsache, dass die allgemeine Helmtragequote in BaWü unter 30% liegt, was sagt das Ihrer Meinung nach über die Wirksamkeit eines Radhelms als „Lebensretter“ aus…?
Bei Bedarf kann ich Ihnen, bzw. dem Herrn Inneminister, gerne -gegen Porto- einen Taschenrechner mit den Grundrechenarten zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
MucRadBlogger
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/110985/2670272/
Radwege zum Zweiten: Der in Radlerkreisen nicht ganz unbekannte Bernd Sluka hat erfolgreich eine Benutzungspflicht an einem Abschnitt bei Passau weggeklagt. Scheint sich um ein besonders dämliches Konstrukt gehandelt zu haben. Der Gutachter befand „Es ist nicht gefährlich, auf der Fahrbahn zu fahren.“ Der Gutachter hatte dies im Selbstversuch erprobt. Hihi.
http://bernd.sluka.de/
http://www.pnp.de/region_und_lokal/stadt_und_landkreis_passau/pocking_bad_fuessing_bad_griesbach/1208449_Radwegabschnitt-fuer-Radler-gefaehrlicher-als-die-Strasse.html
Was sind denn nun zehn bessere Möglichkeiten, um Radler zu schützen?
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Kann man sich das echt nicht selber denken? Ich dachte, das wäre offensichtlich, dass Sicherheit im Strassenverkehr auch noch mit was anderem als mit passiven Schutzmaßnahmen zu tun haben könnte. Was ein bezeichnendes Licht darauf wirft, dass Boardman recht hat, wenn er sagt, dass die Diskussion völlig den Focus verloren hat. Sicherheit + Radfahren = Helm -> Ende des Denkvorgangs?!
Da ich nicht Boardman bin, weiß ich seine 10 Punkte nicht. Mein Oberbegriff wäre, und da kannst Du nicht nur 10, sondern eher 1000 Detailpunkte herausarbeiten:
1. Unfälle vermeiden
das kann man dann runterbrechen:
1a gegenseitigen Respekt unter den Verkehrsteilnehmern schaffen
2b Sichtbarkeit schaffen
3c Fallen entschärfen
3d …
dann kommt lang nix, und dann käme eventuell irgendwann Schutzkleidung, für die, die das letzte hundertstel-Prozent mehr „Sicherheit“ unbedingt zu brauchen glauben. Gibt ja auch Leute, die ohne Christophorusplakette nicht ins Auto steigen.
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Zur Ba-Wü-Unfallstatistik
Ich zitiere mal aus der verlinkten Pressemitteilung des Stuttgarter Polizeipräsidiums. Dort heißt es:
„Auf den Straßen in Baden-Württemberg verunglückten 2013 insgesamt zwar weniger Menschen als im Vorjahr. Aber die Zahl der tödlich verunglückten Fahrradfahrer ist von 44 auf 52 gestiegen – also um mehr als 18 Prozent. ‚Erschreckend finde ich, dass 70 Prozent der getöteten Fahrradfahrer keinen Helm trugen‘, beklagte Innenminister Reinhold Gall bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz für 2013 am Freitag, 21. Februar 2014, in Stuttgart.“
Im nächsten Absatz geht es so weiter:
„Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2012 hätten ergeben, dass zwei von drei Kindern bis zehn Jahren innerorts einen Radhelm tragen. Bei den Erwachsenen dagegen seien es gerade vier bis 13 Prozent. „Für die allermeisten Kinder ist das Helmtragen eine Selbstverständlichkeit. Aber der Großteil der Erwachsenen kommt in dieser Hinsicht seiner Vorbildfunktion nicht nach“, mahnte Gall. Er kündigte an: ‚Wir werden daher auch weiterhin Initiativen unterstützen, die das Helmtragen fördern. Denn Helme können echte Lebensretter sein!'“
Das sind schon seltsame Argumente und Zahlenspielereien, die Gall und seine Polizei hier auftischen, um Fahrradfahren um jeden Preis als lebensgefährlichen Wahnsinn zu diskreditieren und Menschen, die auf dem Fahrrad keinen Styropordeckel tragen, unterschwellig als latent suizidal diagnostizieren. Da frage ich mich unwillkürlich, für wen sich Politiker wie Gall und sein Kollege Herrmann eigentlich verkehrspolitisch einsetzen. Nicht für Fahrradfahrer jedenfalls, dafür aber für eine weiterhin uneingeschränkte Gewaltausübung von Kraftfahrzeugen auf ihren Straßen – sollen sich doch diese Fahrradfahrer zum eigenen Schutz einpanzern. Diese offensiv vorgetragene fahrradfeindliche Haltung ist, wie ich bereits formuliert habe, eines der deutlichsten Symbole einer nicht vorhandenen Fahrradkultur in Deutschland.
Die Panikmache in Presseerklärung wird besonders abstrus, wenn ich die genannten Zahlen hinterfrage. Zwar werden absolute Zahlen bei den getöteten Fahrradfahrern genannt, aber gleich hinterher mit einer dramatischen Prozentzahl blutig untermalt. Dabei wird dezent unterschlagen, wie sich diese Zahlen gegenüber den Zahlen des gesamten Radverkehrs in Ba-Wü verhalten, einmal die hochgerechnete Zahl an Fahrradfahreren insgesamt und einmal die Zahl an zurückgelegten Fahrradkilometern im statistischen Zeitraum. Erst damit bekommen die Unfallzahlen eine Aussagekraft. So sind sie nur Propaganda, zumal lt. Bundesunfallstatistik die Zahl der getöteten Fahrradfahrer zwischen 2012 und 2013 von 361 auf 314 gesunken ist, also um 13 Prozent.
Genauso irreführend ist die Aussage, 70 Prozent – das sind absolut 36 – der getöteten Fahrradfahrer hätten keinen Helm getragen. Daraus folgt, daß 30 Prozent – das sind absolut 16 – einen Helm trugen und er offensichtlich nutzlos war. Bei den getöteten 36 Fahrradfahrern wird nicht deutlich, welche Unfallverletzungen tödlich waren, d.h. es wird nicht klar, ob ein Helm überhaupt lebensrettend gewesen wäre. Wenn schon bei den 16 anderen das nicht der Fall war, obwohl sie das doch als so lebensrettend angepriesene Stück umweltschädlichen Sondermülls trugen, wage ich das stark zu bezweifeln. Zu zynisch? Nicht weniger als Galls vor Betroffenheit triefende Darlegungen, der die Verkehrstoten nur allzu gnadenlos für seine fahrradfeindliche Angstpropaganda einsetzt.
Entsprechend sehe ich auch Gall Ankündigung, er wolle „weiterhin Initiativen unterstützen, die das Helmtragen fördern“ als Drohung. Es ist schon so, wie der ehemalige britische Rennradfahrer und heutige fahrradpolitsche Berater Chris Boardman unlängst formulierte, daß sich Regierungen, die das Helmtragen fördern und eine Helmpflicht propagieren, lieber der Gewalt auf den Straßen unterwerfen und die Leute auffordern, sich passiv zu schützen, als aktiv gegen diese Gewalt vorzugehen. Oder wie Boardman es drastischer ausdrückte: Sie fordern die Leute auf, auf der Straße eine kugelsichere Weste zu tragen, weil draußen rumgeballert wird, anstatt etwas gegen die Ballerei zu unternehmen, was eigentlich ihre Aufgabe sei.
Eigentlich sollte das Gall zu denken geben, denn er ist als Innenminister auch für die öffentliche Sicherheit zuständig. Wird es aber nicht, fürchte ich. Statt dessen wird nur wieder das Blabla eines Pressesprechers als Antwort kommen, Einsicht ist keine zu erwarten. Trotzdem werde ich ihm meinen Kommentar zumailen. So es nichts hilft, schadet es doch nichts.
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Den Boardman-Artikel habe ich mit freundlicher Genehmigung des Autors John Stevenson ins Deutsche übersetzt. Weiterverbreitung mit Autorennennung und Quellangabe ist erlaubt
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Autor: John Stevenson
Datum: 17. Feb. 2014
Quelle: road.cc
URL: http://road.cc/content/news/111258-chris-boardman-helmets-not-even-top-10-things-keep-cycling-safe
Chris Boardman: „Helme gehören nicht zu den zehn wichtigsten Dingen, die Radfahren sicher machen.“
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Chris Boardman, britischer Berater für Fahradpolitik, erklärte, es sei Zeit, die Diskussion über eine Helmpflicht zu beenden und die Botschaft zu verbreiten, der Helm sei eine der unwichtigsten Sicherheitsmaßnahmen beim Radfahren.
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Allein das Gerede über eine Helmpflicht hielte Leute in erheblichem Maße vom Radfahren ab, sagte Boardman, und verglich die Helmträger unter den Fahrradfahrern mit Leuten, die sich panzern, weil sie sich daran gewöhnt haben, daß auf sie geschossen wird.
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Im Gespräch mit road.cc sagte Boardman: „Ich denke, mit der Helmdiskussion lassen wir uns in die Irre führen. Helme gehören nicht zu den zehn wichtigsten Dingen, die Radfahren sicher machen, oder allgemeiner gesagt die meisten Leben retten.“
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Du wirst beschossen, trage eine Rüstung
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Boardman wiederholte eine Analogie, das er früher schon gebracht hatte, und von der er selbst sagt, sie sei etwas übertrieben, obwohl sie den Punkt träfe.
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„Ein ist ungefähr so, als wenn jemand sagt, daß Leute aus dem Hinterhalt auf dich schießen und du daher eine Rüstung anziehen solltest,“ meinte er.
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Wenn die Regierung das Tragen von Helmen fördere, sei das daher „ein Feldzug der Leute, die eigentlich die Schießerei beenden sollten, dafür, daß Menschen Rüstungen tragen.“
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„Wenn man jemanden sieht, der eine Rüstung trägt, obwohl nirgends geschossen wird, denkt man, man gehe um Himmels willen doch nicht raus, wenn sie dort draußen auf der Straße Rüstungen tragen. Es schreckt die Leute ab.“
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Für die Sicherheit beim Radfahren gibt es bessere Lösungen, erklärte Boardman. In den Niederlanden trügen gerade 0,8 Prozent der Fahrradfahrer Helme, doch hätten die Niederländer dank einer abgetrennten Fahrrad-Infrastruktur die geringste Rate von Kopfverletzungen bei Fahrradfahrern. Dreißig Prozent aller Wege in den Niederlanden würden mit dem Fahrrad erledigt, so Boardman, und fünfzig Prozent der Kinder führen mit dem Fahrrad zur Schule. „Die Niederländer haben die beste Methode, Kopfverletzungen zu verhindern,“ erklärte er. „Wo es die höchte Helmtrage-Quote, gibt es auch die meisten Kopfverletzungen: Bei uns und in den USA.“
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Dennoch gibt es unter den passionierten und sportlichen Fahrradfahrern eine beinahe fanatische und kniefällige Begeisterung für Fahradhelme.
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Boardman sagte dazu: „Leute, die eine Rüstung tragen, gewöhnen sich daran, daß auf sie geschossen wird, obwohl das eigentliche Problem darin besteht, daß auf sie geschossen wird.“
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Ein Ablenkungsmanöver
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Die Helmdiskussion sei zu einem zeitraubenden Nebenschauplatz geworden, meinte Boardman. „Wir müssen die Helmdiskussion frontal angehen, weil sie so nervtötend ist,“ sagte er. „Sie verlangt unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit. Wenn man drei Minuten Zeit zur Verfügung hat, und jemand fragt, ob man einen Helm trage, weiß man bereits, daß der Großteil der Zeit dafür verschwendet wird, statt über wesentliche Themen zu sprechen.“
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Boardman sagte, die Fokussierung auf Helme lasse das Fahrradfahren gefährlicher erscheinen, als es in Wirklichkeit sei.
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„Wir haben uns weit von den Tatsachen entfernt,“ meinte er weiter. „Wir verbreiten Anekdoten. Das ist wie mit Haiangriffen – es werden mehr Menschen beim Bauen von Sandburgen getötet als durch Haiangriffe. Es ist geradezu aberwitzig, daß die Tatsachen nicht mit den Geschichten zusammen passen, weil die Aufmerksamkeit der Presse auf Nachrichten liegt. Die Vorstellung, Fahrradfahren sei gefährlich, wird zur Regel, aber es ist nicht die Regel.“
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„Auf tausend Erdumrundungen mit dem Fahrrad gibt es einen Fahrradtoten. Das ist sicherer als Gartenarbeit.“
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Das Bild vom Fahrradfahrer
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Wie viele Fahrradaktivisten möchte Boardman das Fahrradfahren als eine normale und alltägliche Tätigkeit gesehen wissen.
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„Ich habe neulich zwei Leute in meinem Ort auf dem Fahrrad gesehen. Einer fuhr den Berg zum Bahnhof runter, er trug eine Warnweste und einen Helm. Ein paar Minuten später fuhr ein anderer Typ den Berg runter, er radelte in lockerer Kleidung zum Bahnhof. Welcher von beiden macht mir Lust auf’s Fahrradfahren?“
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Hallo Eva, vielen Dank für den Hinweis. Ich würde die Übersetzung gerne in den „Hauptartikel“ übernehmen?
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Alle OB-Kandidaten auf Kosten der Radlstreifenlobbyvereine nach L.A. zum gscheid Radfahren lernen schicken, vielleicht bleibt der Herr Obertunnelbauer von der CSU gleich da und baut ein Tiefparkgaragenunternehmen auf.
[X] dafür
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